Den Segen von Mehrgenerationen-Familien entdecken

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Dieser Blogeintrag gründet sich aus dem Buch „Family Revision“, Kapitel 3 (The Score of the Family) von Jeremy Pryor. Ich fasse den Inhalt hier zusammen und ergänze im letzten Drittel mit meinen Gedanken und Erfahrungen zum Thema. Allgemein gibt es zum Thema sehr viel zu sagen, der Text hier dient quasi mehr als Gesprächsstarter und Gedankenanreger.  Aber los geht‘s:

Mehrgenerationen-Familien in der Bibel

Gott sieht uns nicht nur als Individuum, sondern als Teil einer Familie. Und nicht nur als Teil der Kernfamilie (Vater, Mutter, Kinder), sondern als Teil einer Mehrgenerationen-Familie (Oma, Uropa, Tante, Cousin…). Der Auftrag die Erde zu füllen, zu herrschen und fruchtbar zu sein, gab Gott nicht an Adam alleine – sondern an Adam und Eva und deren Kinder. Sein Wunsch war es von Anfang an, dass wir als Familien unterwegs sind und er sich durch Familien mit ihre Dynamiken, Rollen und Beziehungen als Väter, Söhne, Mütter, Töchter, etc., offenbaren kann. Gott selbst existiert ja gewissermaßen als „Familie“ – Vater, Sohn und Heiliger Geist, weshalb es Familien braucht, um ihn zu repräsentieren.
Einerseits sind alle Menschen mit dem gleichen Wert geschaffen (im Bilde Gottes). Andererseits haben nicht alle Menschen die gleichen Voraussetzungen. Wir sind in Familien hineingeboren, die es uns entweder erschweren oder erleichtern in Gottes Reich einzutreten und dort Frucht zu tragen. Ein Kind, dass in eine christliche Familie in den USA geboren wird, hat es wahrscheinlich leichter Jesus kennenzulernen, als ein Kind, dass in eine muslimische Familie in Saudi Arabien geboren ist. Ist das nicht unfair könnte man fragen. Warum hat Gott die Welt nicht so erschaffen, dass jeder die gleichen Voraussetzungen hat? Wir wissen die Antwort nicht, aber die naheliegende Antwort ist die, dass dadurch die Mehrgenerationen-Familie nicht möglich wäre. Die Entscheidungen, die die Eltern treffen, hätten somit keinerlei Auswirkungen auf ihre Kinder – weder zum schlechten, noch zum guten. Familien haben aber die Macht der nächsten Generation zu helfen oder ihr zu schaden.
Das was also in unserem Leben passiert, wurde stark von dem geprägt (wenn auch nicht in Stein gemeißelt) was unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern taten. Gleichermaßen prägen wir heute das, was unseren Kinder, Enkel und Urenkel passieren wird. Alle Entscheidungen, die wir treffen, Ressourcen, die wir ansammeln, Segen den wir gewinnen, haben eine Auswirkung auf die Generationen nach uns.
Gott sagt in 2 Mose 34:7 „Ich lasse Menschen meine Liebe erfahren über Tausende von Generationen. Ich vergebe Schuld, Unrecht und Sünde, doch ich lasse nicht alles ungestraft. Wenn jemand an seiner Schuld festhält, dann muss er die Folgen tragen, und nicht nur er, sondern auch seine Kinder, Enkel und Urenkel!“
Unsere Aufgabe ist es die Schätze der Generationen vor uns zu verwahren, zu vermehren und sie an die nächste Generation weiterzugeben. Haben wir „Flüche“ (z.B. sündhafte Angewohnheiten, Muster, Traumata, etc.) durch die Generationen vor uns empfangen, gilt es diese zu erkennen und abzulegen, damit wir sie nicht an unsere Kinder weitergeben.
Dieser Blick oder Fokus auf Familien wird auch im Neuen Testament deutlich. Jesus war die ersten dreißig Jahre (und darüber hinaus) eng verbunden mit seiner Familie (sie wussten sogar um ihren Stammbaum bis zu Adam…). Darüber hinaus ist der „Familienblick“ z.B. in der der Aussendung der Jünger erkennbar (Lukas 10). Jesus beauftragte sie dazu, Personen des Friedens zu finden und bei ihnen zu bleiben. Also offene Menschen zu finden, die die Tür in einen Familien-Haushalt öffnen (wobei nicht nur die Kernfamilie, sondern auch Angehörige, Diener, etc. zählten). Jesus wollte, dass die Jünger nicht nur Individuen erreichen, sondern ganze Haushalte.
Paulus betonte in seinen Briefen, die wichtig es ist, dass Jesusnachfolger ihren Familien gut vorstehen.
Er muss sich in vorbildlicher Weise um seine Familie kümmern und seine Kinder zum Gehorsam erziehen und dazu anhalten, ein glaubwürdiges Leben zu führen. Oder kann jemand für die Gemeinde Gottes sorgen, wenn er nicht einmal imstande ist, sich um die eigene Familie zu kümmern? (1 Tim 3:4-5)
Sorge für die Witwen, wenn sie keine Angehörigen haben, die sie unterstützen. Sind aber Kinder oder Enkel da, dann sollen diese lernen, zuerst in der eigenen Familie Gottes Willen zu tun und ihre Angehörigen zu versorgen. Es gefällt Gott, wenn sie auf diese Weise ihre Dankbarkeit zeigen für das, was sie von ihnen empfangen haben. (1 Tim 5:3-4)

Wie können wir den Generationen-Segen beginnen?

Dieser Generationen-Zusammenhalt verkümmert durch den extremen Stellenwert des Individualismus im Westen mehr und mehr. Kinder, die möglichst früh in Fremdbetreuung gebracht werden, Alte, die in Altersheime geparkt werden, eine junge Generation, die ermutigt wird, „sich selber zu finden“, sich von niemanden abhängig zu machen und die nicht wissen woher sie kommen und wohin sie gehen. Gottes Kultur von gesunden und zusammenhaltenden Familiengenerationen zu entdecken und zu leben, hat das Potenzial helles Licht in unsere westliche individuelle Gesellschaft zu scheinen.
Um diese Familien-Segens-Kultur zu leben gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wir beginnen neu, oder wir tragen das weiter, was gläubige Generationen vor uns begonnen haben. Gott sagte zu Abraham er solle seine Herkunftsfamilie hinter sich lassen (sie beteten fremde Götzen an, Josua 24:2-3) und gemeinsam mit Sarah eine neue Familienkultur nach Gottes Sinne aufbauen. Sie ließen schädliche Traditionen ihrer Herkunftsfamilie hinter sich und begannen ein neues Leben. Von neuem anzufangen und das Gewohnte nicht einfach zu übernehmen war hart. Aber durch ihr Leben und ihren Glauben „bauten sie Segen auf“, der sich durch ihre Familie bis heute tausendfach multipliziert hat.
Dann gibt es Isaak und Rebekka, die bereits gläubige Eltern hatten, darauf aufbauen und so die Schätze von zwei Generationen an ihre Kinder weitergeben konnten (was natürlich auch Erbe mit umfasste, wie Besitztümer, Tiere, Diener). Wenn wir Großeltern und Eltern haben, die fähig und willig sind ihre Kinder und Enkel zu segnen – dann sollten wir unbedingt davon Gebrauch machen.
Natürlich gibt es immer wieder auch viel Gutes von Eltern und Großeltern zu übernehmen, die nicht (oder „nicht so sehr“) mit Jesus gingen, aber das Prinzip bleibt dasselbe: Gott möchte, dass wir Mehrgenerationen-Familien leben, um von- und miteinander zu lernen und zu profitieren.
(Das Prinzip lässt sich natürlich auch auf Jüngerschaft übertragen – wir sollten reifere Nachfolger haben, die uns trainieren und wiederum jüngere Nachfolger, die wir trainieren. Dadurch entsteht ein gegenseitiges Geben und Nehmen und alle profitieren davon – mehr davon hier)
Auch beginnt das Thema nicht erst, wenn wir verheiratet sind und als Väter und Mütter eigene Kinder haben. Auch Singles haben Herkunftsfamilien, in denen sie Söhne und Töchter sind. Sie können sich zusätzlich mit anderen Singles oder Familien in Wohn- oder Lebensgemeinschaften verbinden (gewissermaßen als Brüder und Schwestern) oder sich verbindlich einer Gemeinschaft / Gemeinde anschließen. Hier können dann gemeinsam Familien-Werte gelebt werden.

Unsere Erfahrungen 

Für mich hat sich, seit wir selber Kinder haben (und spätestens seit ich Bücher zum Thema Familien im Reich Gottes gelesen habe), meine Beziehung zu meinen Eltern sehr verändert. Ich habe mir viel Gedanken darüber gemacht, was ich von ihrer Erziehung damals heute auch übernehmen möchte (und auch was nicht). Damit bin ich in den Austausch mit ihnen gegangen und das führte zu einigen besonderen Momenten der gegenseitigen Wertschätzung. Wir haben über ihre Stärken, Schwächen und die Familienkultur geredet und darüber was sie weitergegeben haben und was sie zukünftig weitergeben wollen. Auch lerne ich von ihnen (und anderen Verwandten) über „the good, the bad and the ugly“ meiner Großeltern (3/4 davon leben leider nicht mehr) und deren Eltern. Auch hier entdecke ich Vorbilder und Ressourcen, die mir heute dienen, sowie Sachen, die ich bewusst ablegen will.
Die Eltern meiner Mutter haben übrigens 12 Kindern. Wenn nicht gerade Corona ist, haben wir einmal im Jahr ein großes Familientreffen mit allen Familienclans. Zeitweise kamen dort vier Generationen zusammen und über 120 Teilnehmer, die direkt miteinander verwandt sind. Das hat ein enormes Potenzial und als Kind gab es mir, obwohl ich die meisten sonst nicht viel im Jahr gesehen habe, ein großes Zugehörigkeitsgefühl und eine gewisse Identität. Meine älteren Cousins & Cousinen und Onkel und Tanten zu sehen, wie sie mit Jesus gehen und ihre Geschichten zu hören, hat mich inspiriert und häufig das ganze Jahr hinweg über motiviert.
Noch sind unsere Kinder etwas klein, aber umso älter sie werden, umso mehr möchte ich ihnen ihre Familiengeschichte näher bringen (Studien zeigen, dass Kinder, die um ihre Familiengeschichte wissen, in ihrer Identität und ihrem Selbstwert gestärkt werden). Ganz praktisch versuche ich folgendes: Wir schauen gemeinsam Familienfotoalben oder Homevideos an und reden darüber, wir versuchen regelmäßig Räume zu schaffen, Familienmitglieder bei uns zu haben (oder zu skypen), um Beziehungen aufzubauen, über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges zu reden und sich weiter besser kennenzulernen. In der Zukunft möchte ich Quizze und Powerpoints zur Familiengeschichte erstellen, Familien-bedeutsamen Orte und Verwandte besuchen und Zeiten und Räume schaffen, in denen wir mit drei Generationen Gott suchen und begegnen.
Mein Vater z.B. hat beschlossen seine Enkelkinder mindestens alle 6 Wochen live zu sehen (wir wohnen in unterschiedlichen Bundesländern), unsere Mütter kommen regelmäßig, und mit meinen Schwiegeltern fahren wir einmal pro Jahr in den Urlaub.
Als westliche Mehr-Generationen Familie müssen wir (besonders) lernen, trotz häufig unterschiedlicher Wohnorte und verschiedener Lebensentwürfe, füreinander da zu sein und miteinander unterwegs zu sein. Auf diese Weise ehren wir einander und das was Gott in unserer Familie getan hat (und noch tun wird). Unaufgearbeitete Familiengeheimnisse, Tabu-Themen, Unvergebenheit, innere Distanz zerstören Familien und behindern ihre Mitglieder in ihr Potenzial zu kommen. Eine Kultur des offenen Austausches, der gegenseitigen Wertschätzung und Hingabe lässt Familien aufblühen, spiegelt Gottes Wesen wider und zeigt einer kaputten Welt, Gottes Schönheit. Amen 🙂
Mehr zum Thema Familie findest du übrigens hier.

Praktisch:

Nimm dir kurz Zeit um Jesus zu fragen:
Hören: Was möchtest du mir durch das Gelesene sagen?
Tun: Was möchtest du, dass ich tue?
Teilen: Kann ich etwas hieraus jemanden weitergeben?
2021-08-08T23:42:38+02:00
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