Das ist ein Versuch sieben Jahre zusammenzufassen, die ich erst alleine, dann verheiratet und schließlich als kleine Familie in Stuttgart verbracht habe, um Hausgemeinden zu gründen. Hausgemeinden… missionarische Gemeinschaften… geistliche Familien, die sich multiplizieren… Jüngerschaftsbewegungen… mit all dem war ich zwei Jahre zuvor in Berührung gekommen und wollte, nach einiger Zeit im Ausland, diese Vision in einem deutschen Großstadtkontext verfolgen.
Im Rückblick lässt sich unsere Zeit dort grob in drei Phasen einteilen:
  • In der ersten Zeit (2013-15) war ich Teil von einem bereits existierenden Hausgemeinde-Netzwerk.
  • In der zweiten Phase (2016-18) gründete ich mit Freunden eine neue Hausgemeinde, die einen stärkeren missionarischen Fokus hatte. Hier lernte ich auch meine Frau kennen und fortan waren wir als Team unterwegs.
  • In der dritten Phase (2018-20) zogen wir aus der Innenstadt in einen kleineren äußeren Stadtteil und versuchten in mehreren Anläufen erneut etwas Neues auf die Beine zu stellen. Das gelang nicht und die Phase endete mit unserem Umzug nach Ostdeutschland.
Im folgenden beschreibe ich die jeweilige Phase kurz (natürlich aus meiner subjektiven Sicht) und versuche relevante Erkenntnisse und Erlebnisse festzuhalten.

Phase 1: Ankommen und Ausprobieren

Ich kam von Osteuropa nach Stuttgart und begann meine Berufsausbildung. Über einen alten Freund, kam ich in Kontakt mit einem regionalen Hausgemeinde-Netzwerk und ich wurde Teil einer Hausgemeinde. Das Netzwerk selber wurde lange vor meiner Zeit gestartet und bestand aus vielleicht 3-5 kleinen Hausgemeinden, die in der Stadt verteilt waren. Es gab ein regionales Leitungsteam und Zeiten in denen man mit allen zusammenkommen konnte (z.B. Workshop-Tage, Gebetsabende, Foren, einmal im Jahr ein überregionales Festival, eine Silvesterfreizeit, etc.). Zudem gab es Räumlichkeiten, die für Partys, Trainings und Aktionen genutzt werden konnten. Das Netzwerk stand außerdem in engem Kontakt zu anderen Hausgemeinden und Netzwerken in anderen Städten und Regionen.
Unsere Hausgemeinde bestand allesamt aus Singles ohne Kinder. Wir trafen uns mindestens einmal die Woche als ganze Gruppe. Es gab mehrere WG’s in der Stadt verteilt, in der einige Leute zusammenwohnten und es wurde sich viel untereinander besucht. Jede Hausgemeinde hatte mindestens zwei Leiter, verstand sich aber als Team und überlegte gemeinsam, wie sie in den verschiedenen Bereichen wachsen konnten. Mir lag der Bereich „Außen – neue Menschen / Gruppen erreichen und neues Gründen“ sehr auf dem Herzen.
Mit einem Freund aus der Gemeinde gründeten wir eine WG im Herzen der Stadt. Hier nahmen wir Leute auf, um mit uns einige Zeit zu wohnen und dann wieder ausgesandt zu werden. Unsere Mitbewohner, die wir betend über Kontakte und Internetplattformen aussuchten, waren zu Beginn hauptsächlich internationale junge Leute, die mit Jesus noch nicht viel zu tun hatten.
Da unsere Wohnlage zentral gelegen und die Mietkosten so gering waren, waren natürlich viele Leute interessiert und häufig wohnten wir zu sechst oder siebent verteilt auf drei Zimmern. Das war eine intensive Zeit, wir kochten abends zusammen, spielten Spiele und lasen gemeinsam in der Bibel. Ich glaube niemand, der damals bei uns gewohnt hat, ist in seiner geistlichen Reise nicht ein Stück näher zu Jesus gekommen. Das aber jemand wirklich radikal mit Jesus neu begann und ein Jüngerschaftsprozess entstand, passierte leider nicht.
Irgendwann entschloßen wir uns Leute aufzunehmen, die bereits mit Jesus unterwegs waren. Unser Wunsch war ihnen beizubringen, wie sie missionarisch leben können und andere in Jüngerschaft trainieren können. Das klappte aber nicht so gut und die Mitbewohner teilten unsere Begeisterung für Mission und Bewegungen nicht so sehr – was mich sehr frustrierte und dazu führte, dass ich innerlich auf Abstand ging. Für beide Seiten war das keine gute Zeit. Im Rückblick lag es wohl mit daran, dass ich sehr hohe Erwartungen hatte, diese aber häufig nicht gut von Anfang an klar kommunizierte. Auch fehlte uns ein klaren Rahmen, bzw. Rhythmus, der unsere gelebten Werte auf den Alltag runter gebrochen hätte, sowie die Möglichkeit für beide Seiten den Prozess zu beenden, ohne das es komisch wäre. Ein weiteres großes Hindernis war, dass ich schlussendlich nicht wusste wie ich Leuten helfen sollte, mit Jesus zu wachsen, die nicht so tickten wie ich.
Am Wochenende organisierte ich eine Brötchen-Verteil-Aktion. Wir bekamen die nicht-verkauften Backwaren zweier Bäckereien und verteilten diese großzügig an Obdachlose, Partygänger und wer sich auch immer abends durch die Innenstadt bewegte. Dazu luden wir andere Christen ein und hatten an manchen Abenden mehrere Brötchen-Teams unterwegs, manchmal auch Leute, die mit Jesus noch gar nichts zu tun hatten. Jedenfalls kamen dadurch viele Leute in Berührung mit Jesus und die Aktion multiplizierte sich in eine andere Stadt. Im Winter hatten wir dann auch Tee dabei und da wir nicht alles losbekamen, aßen wir die ganze Woche über mehr oder weniger haltbare Brötchen in den verschiedenen WGs. Das aber jemand wirklich von Neuem mit Jesus anfing und ein langfristiger Jüngerschaftsprozess lief, passierte meines Wissens nur einmal. Dennoch waren es immer intensive Abende aus denen wir erschöpft, aber voller Freude zurückkehrten.
Nach einiger Zeit begann ich frustriert mit unserer Hausgemeinde zu werden. Ich war so voller Leidenschaft dafür, dass eine Bewegung von neuen Jesusnachfolger entsteht und wünschte mir von unserer Gruppe noch mehr Fokus auf Mission. In einem Buch über Bewegungen, das ich gelesen hatte, wurden  viele Werkzeuge vorgestellt, um eine Jüngerschaftsbewegung zu initiieren und ich war total begeistert. Ich wollte, dass unsere Gruppe sich nach dieser Art und Weise orientierte. Andere Leiter im Team zogen nicht so mit, wie ich es mir erhofft hatte und nach einiger Zeit entschloss ich nicht länger Teil der Hausgemeinde zu sein. Es hätte damals einen weisen Vermittler gebraucht, der uns geholfen hätte, unsere Unterschiedlichkeiten und Blickwinkel als Stärke und gegenseitige Bereicherung sehen zu können und Wege aufzuzeigen, dennoch miteinander unterwegs zu sein. Leider gingen unsere Wege dann mehr oder weniger getrennt weiter.

Phase 2: Volle Kraft in eine Richtung

In dieser Phase lernte ich neue Leute kennen, die missionarisch motiviert waren, und wir begannen eine neue Hausgemeinde, die entsprechend stark im Bereich „Außen“ aktiv war. Das Brötchen-Verteilen wurde ersetzt, indem wir einfach Menschen auf der Straße fragten: „Hallo, wir mache eine Aktion, wo wir für Leute beten wollen. Gäbe es etwas, wofür wir für sie beten können?“ (Das war einfacher als im Feierabendverkehr Brötchen abzuholen, Belag einzukaufen und zu bestreichen…). Mit dieser Aktion waren wir mehrfach in der Woche in verschiedenen Stadtteilen und Orten unterwegs. Immer wieder reagierten Menschen offen, wir hatten interessante Gespräche über den Glauben, erlebten hier und da Heilungen, wenn wir für Leute beteten und sammelten viele Telefonnummern, von Leuten, die sagten, sie würden sich gerne wieder treffen. Das motivierte uns sehr. Dennoch war es super schwer, die Menschen die wir auf der Straße kennenlernten, tatsächlich wieder zu treffen. Häufig meldeten sie sich nicht mehr oder kamen nicht zu vereinbarten Treffen.
Inspiriert von Freunden aus den USA, begannen wir auch bei Leuten zuhause zu klingeln. Jesus hatte ja damals den Jüngern aufgetragen „Häuser des Friedens“ zu finden und so gingen wir zu den Häusern. Häufig per Sprechanlage stammelten wir, dass wir gerne Leute segnen wollen durch Gebet („Wir wissen das klingt total komisch, aber…“) und schauten einfach, ob jemand offen darauf reagierte. Tatsächlich gab es auch hier hin und wieder ermutigende Erfahrungen, im Großen und Ganzen aber blieben wirklich „offene Türen“ aus.
Neben unseren Aktionen neue Leute kennenzulernen, investierten wir viel Energie darein, andere Jesusnachfolger zu trainieren, wie sie auch von Jesus weitersagen können und in Jüngerschaft begleiten können. Wir trainierten in den Jahren sicher über Tausend Leute, vor Ort mit praktischen Einsätzen oder via Online-Gruppen. Wir halfen ihnen, ihren Kontakten Geschichten von Jesus zu erzählen und mit denen, die mehr wissen wollten waren, nächste Schritte zu gehen.
Zwar erlebten wir durch unsere Aktionen alle mehr Mut und Leidenschaft auch in alltäglichen Beziehungen von Jesus zu reden, so waren diese Begegnungen in einem mehr natürlicheren Rahmen aber nicht unser Fokus. Ich denke heute, dass das vielleicht ein Fehler war und wir mehr Zeit in natürliche Beziehungen und Orte, wo diese möglich sind, hätten investieren sollen.
Mittlerweile hatte ich meine Ausbildung fertig gemacht und arbeitete Teilzeit im Schichtsystem. Durch unsere Trainings lernte ich Rahel kennen und wir heirateten ein knappes Jahr später. Unsere WG löste sich auf und wir richteten die Wohnung für uns als Familie her. In unserem ersten Ehejahr hatten wir eine Freundin bei uns wohnen, um sie in Jüngerschaft zu begleiten. Sie wurde auch Teil der Hausgemeinde und auch wenn das Timing nicht so ideal war, war die Zeit für uns alle drei sehr wertvoll. (Im Vergleich zu unseren alten WG lag der „Erfolg“ dieser Zeit denke ich u.a. darin, das Erwartungen immer wieder kommuniziert und Strukturen da waren, die aber den Umständen entsprechend anpassungsfähig blieben).
Dennoch begannen erste Probleme aufzutauchen. Es waren noch keine wirklichen gesunden Gruppen um uns herum entstanden, stattdessen begannen Leute unsere Hausgemeinde zu verlassen und auch in unserer jungen Ehe machten sich ernsthafte Spannungen breit. Ich ignorierte diese Veränderungen und pochte weiter dafür, nicht aufzugeben und weiter missionarisch Vollgas zu geben. Schließlich kam es aber doch zum Knall und Gott führte uns in ein Sabbatjahr.
Diese Zeit war schmerzvoll, gleichzeitig aber auch enorm heilsam. Für mich hieß es keine Von-Jesus-Weitergeben-Aktionen mehr, keine Trainings, kein Basteln an Jüngerschaftstools… Ich durfte dabei von versteckter Religiosität und Stolz umkehren. Wir lernten wichtige Themen der Seelsorge und der inneren Verbundenheit und Freiheit mit Jesus kennen und erlebten nicht nur in der Ehe, sondern auch in anderen Beziehungen, Versöhnung und Wiederherstellung.
Als Hausgemeinde hatten wir den Bereich „Außen“ so stark betont, dass dadurch andere wichtige Bereiche vernachlässigt wurden. Auch hielten wir zu krampfhaft an bestimmten Vorgehensweisen fest, und gaben wenig Raum für andere Gaben, Herangehensweisen und Blickwinkel. Ich denke größtenteils lag das daran, dass ich einen Tunnelblick entwickelt hatte und nur wenige kritische Stimmen um mich herum zuließ. Zwar hatte ich viel Kontakt mit Mentoren und Coaches, allerdings hauptsächlich online und es gab nur wenige, die meinen Alltag erlebten und dort hineinreden hätten können. Es war also gut von Jesus uns „zu beschneiden“.

Phase 3: Wüstenzeit und neue Gehversuche

Nach unserem Sabbat-Jahr ohne jegliche Aktionen und Trainings, zogen wir in eine neue Wohnung in einem anderen kleineren Stadtteil. Zwar war das Jahr für uns persönlich und als Ehepaar ein echter Durchbruch, gleichzeitig war es für mich aber auch, als jemanden, der dazu neigt lieber zu viel, als zu wenig zu tun, immer wieder herausfordernd und ich freute mich sehr, als wir das Signal bekamen, uns wieder neu ins missionarische Fahrwasser zu begeben.
Wir trafen uns weiter mit unserer alten Hausgemeinde, da sich aber unsere Arbeitszeiten verändert hatten, wir nun noch weiter auseinander wohnten und unsere neu geborene Tochter Autofahrten nicht leiden konnte, ging es nicht mehr über ein wöchentliches Treffen hinaus. Die große Distanz und die teilweise unterschiedlichen Lebensrhythmen, machten wirkliche Gemeinschaft, voneinander Wissen, einander ermutigen und miteinander Sachen machen, sehr schwer. Um näher beinander zu sein, suchten wir über ein Jahr ein gemeinsames Haus, bzw. zwei benachbarte Wohnungen in der Region, leider erfolglos.
Ernüchternd davon, wie wenig von unseren vergangenen missionarischen Aktivitäten und Jüngerschafts-Trainings übrig geblieben war und gleichzeitig inspiriert von neuen Ansätzen, die größeren Fokus auf Beziehungen legten, begann ich im Stadtteil Menschen über Vätertreffen, Sportaktivitäten und Plattformen kennenzulernen, geistliche Inhalte zu teilen und nach offenen Personen Ausschau zu halten. Das plätscherte so vor sich hin, ohne das bemerkenswertes daraus entstand. Dennoch war die Zeit für mich wichtig, da ich merkte, wie wichtig es ist lokal und klein anzufangen. Floyd McClung sagte „Dream big, start small“ und ich lernte, dass bevor ich eine Metropole mit Hausgemeinden füllen kann, es gut ist, wenn ich erstmal meine Nachbarn und meinen Stadtteil kennenlerne.
Gleichzeitig sehnten wir uns nach Mitstreitern vor Ort und nach Leuten, die mit uns enger unterwegs sein würden. Wir lernten u.a. ein junges Ehepaar kennen, mit denen wir uns begannen regelmäßig zu treffen und uns als Hausgemeinde entwickelten. Mit der Zeit gingen aber unsere Vorstellungen davon, was das heißt und vor allem in welche Richtung wir gemeinsam gehen wollen, auseinander. In den Treffen gab es Elefanten im Raum und mit dem Wunsch, dass unsere Beziehung ohne dieses „Projekt“ besser und freier sein würde, löste ich das frisch-gebackene Gemeinde-Projekt auf. Auch lernten wir aus verschiedenen Richtungen und Gemeindehintergründen andere Gründer und Starter kennen und durften einige etwas begleiten und unterstützen (und andersherum), aber dennoch entwickelte sich nichts gemeinsames.
Aus diesem Grund begannen wir uns überregional umzuschauen und Gott zu fragen, wo und vor allem mit wem er uns zusammenstellen möchte. Wir kündigten Job und Wohnung und kamen über mehrere Umwege (wir hatten z.B. den Plan eine Art Jüngerschaftshaus in Hamburg aufzubauen, was dann aber kurz davor noch ins Wasser fiel) nach Thüringen, wo wir seit Mitte 2020 mit Freunden in einer Plattenbau-Siedlung wohnen.
Damit endete unsere letzte Phase in Stuttgart. Rückblickend empfand ich es als lange Durststrecke und fand mich immer wieder frustriert und niedergeschlagen, kamen wir doch dem Wunsch von Jüngerschaftsbewegungen um uns herum gefühlt kaum näher… Dennoch gab es immer wieder Lichtblicke und Gott brachte ungewöhnliche und ermutigende Menschen in unser Leben. Ich verstehe es noch nicht genau, glaube aber, dass gerade diese letzte Phase mit am hilfreichsten für uns war. Wir stellten viele Fragen, setzen uns intensiv damit auseinander, was wir wollen und was wir nicht wollen, lernten viele Leute kennen, stellten noch mehr Fragen und reflektierten gefühlt alles, was wir bisher getan und gedacht hatten. Ich denke, das machte uns zu einem guten Nährboden für neue Wege und Gottes Reden.
Nun sind wir an einem neuen Ort mit neuen Herausforderungen, aber der Wunsch das Bewegungen in Deutschland entstehen ist nach wie vor ungebrochen. Ich weiß nicht genau was es dafür braucht (wobei ich natürlich viele Vermutungen habe), aber ich denke ein Teil davon ist, dass wir immer wieder aus der Vergangenheit lernen, auf Jesus Stimme hören und mutig neue Schritte gehen. Let’s do it.

Praktisch:

Nimm dir kurz Zeit um Jesus zu fragen:
Hören: Was möchtest du mir durch das Gelesene sagen?
Tun: Was möchtest du, dass ich tue?
Teilen: Kann ich etwas hieraus jemanden weitergeben?