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Wenn jemand mit Mitte 30 noch zuhause bei seinen Eltern wohnt und sich von ihnen ernähren lässt, ist irgendetwas komisch. Geistlich gesehen ist das leider der Stand vieler Christen – sie sind Konsumenten, die abhängig von anderen sind und nie trainiert wurden, sich selber geistlich zu ernähren, geschweige denn, eine eigene geistliche Familie zu gründen in der sie sich um andere kümmern (Heb 5:12-14).
Um Jünger zu reifen und multiplizieren zu lassen, müssen ihnen gewisse Fähigkeiten und Werte beigebracht werden. Dieses „Beibringen“ passiert in vier Phasen: Vormachen, Helfen, Beobachten und Gehen. Es lässt sich gut damit vergleichen, wie ein Kind lernt, Fahrrad zu fahren:
1. Phase: Vormachen
Das Kind sieht jemand, der Fahrrad fährt und möchte es auch können – diese Phase ist sehr kurz.
2. Phase: Helfen
Wir Erwachsenen setzen das Kind aufs Fahrrad, halten es und laufen mit. Irgendwann lassen wir los und sagen; „Du schaffst es alleine!“ Meistens fällt das Kind dann hin. Was wir nicht sagen ist: „Ohje, du wirst es wohl nie können…“ Stattdessen setzen wir das Kind wieder aufs Fahrrad, laufen daneben und probieren es wieder und wieder. Und nach dem 4.-5. Mal schaffen sie es ohne unsere Hilfe. Diese Phase dauert nicht so lange, wir erlauben dem Kind Fehler zu machen und helfen ihm so lange, bis es alleine fahren kann.
3. Phase: Beobachten
Die Eltern beobachten das Kind so lange, bis es sicher alleine fahren kann. Dazu gehört, dass das Kind alle wichtigen Facetten des Fahrradfahrens beherrscht, z.B. bremsen, lenken, die Verkehrsregeln kennen, Kurven fahren, Berge rauf- und runterfahren, usw.. Diese Phase dauert am längsten. Nachdem das Kind diese Fähigkeiten erworben hat, ist es legitim für die Eltern, das Kind ganz alleine fahren zu lassen ohne dabei oder im Hintergrund sein müssen.
4. Phase: Gehen
Das Kind hat alle Bereiche des Radfahrens gemeistert und braucht die Hilfe der Eltern nicht mehr. Es wäre eher hinderlich, wenn die Eltern das Kind weiter beobachten und es nicht alleine, ohne Aufsicht, fahren lassen würden. Es wäre verrückt, wenn wir jedes Mal, wenn wir Fahrrad fahren wollen, unsere Eltern anrufen müssen, nur damit sie uns zuschauen.

Wie sieht dieser Prozess für Jüngerschaft aus?

Wir beginnen damit, dass wir die Fähigkeiten, die Werte vor den Augen des Trainees ausleben (Vormachen). Das kann in einem Moment passieren und wir sollten schnell in die zweite Phase, des Helfens kommen.
In der Helfen-Phase geht es also darum, dass die Trainees das Gesehene selber tun. Der Coach bleibt in nächster Nähe, schaut zu und gibt Ratschläge.
Mit der Zeit, wenn die Grundlagen verstanden und gelebt werden, zieht sich der Jüngermacher immer mehr zurück. Das ist die Beobachten-Phase, wo der Trainee im Vordergrund agiert und der Coach im Hintergrund bleibt, beobachtet und ggf. Feedback gibt.
Sobald der Trainee es selber praktiziert und erfolgreich an andere weiter trainieren kann, ist es angemeßen für den Jüngermacher weiterzugehen (Die Gehen Phase).

Die 4 Phasen bei Paulus

In seinen Missionsreisen führte Paulus die neuen Gemeinden durch die ersten beiden Phasen, er war ihnen Vorbild Jesus nachzufolgen und half ihnen es selber zu tun.
Als er ging, begann die Phase der Beobachtung. Diese Phase dauerte am längsten. Darin kam er ab und an für einen Besuch vorbei, mal schickte er einen Mitarbeiter oder er schrieb einen Brief. Sein Ziel war, dass die Gemeinden selbständig funktionierten und sich reproduzierten.
In Ephesus beendete er diesen Prozess, indem er die Ältesten zusammenrufen lies und ihnen sagte: „Ihr werdet mich nie mehr wieder sehen. Ich habe euch alles beigebracht, was ihr wissen müsst. Ich gehe nun.“ Paulus machte sich dabei nichts vor, er wusste dass es Probleme geben wird! Er sagte ihnen: Es werden falsche Lehrer unter euch auftreten, aber ihr habt alles was ihr braucht.
So wie Eltern ihre Kinder irgendwann loslassen müssen, so wusste auch Paulus, dass die Gemeinde alles hatte, was sie brauchte, um ohne seine Hilfe zurecht zu kommen.
Neben einzelnen Fähigkeiten (z.B. Von Jesus weitersagen, Beten, Bibel lesen, Gruppen gründen und anleiten), wollen wir auch den gesamten Jüngerschaftsprozess multiplizieren. Das bedeutet, dass wir jeder neuen Generation helfen, die Generation „nach ihnen“ durch den Prozess der Jüngerschaft zu führen. Unser Job wäre also erst dann wirklich beendet, wenn die 4. Generation erreicht ist und sie die Inhalte wieder weitergibt. Dann gäbe es eine Bewegung, die nicht mehr aufzuhalten ist.
Praktisch können wir dafür mit unseren Trainees eine Coaching-Checkliste durchgehen, in der wichtige Fähigkeiten und Werte von Jüngerschaftsbewegungen enthalten sind (siehe hier) und beobachtet werden kann in welcher Phase sich die Trainees und der Trainer gerade befinden.

Praktisch:

Lies dir die Coaching-Checkliste durch und mache dir Gedanken in welcher Phase du in den jeweiligen Punkten gerade stehst.