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Darum gehts: Curtis Sergeant hat in China selber eine rasant wachsende Gemeindegründungsbewegung erlebt und trainiert seitdem weltweit andere darin. Im Interview erzählt er von seinen Erfahrungen und Gedanken über Bewegungen im Westen.
David Schäfer interviewte im Rahmen einer DIM Konferenz Curtis Sergeant über Gemeindegründungsbewegungen. Das Interview erschien ursprünglich in Brennpunkt“-Ausgabe vom Anfang 2016.
Curtis Sergeant ging Anfang der 90er-Jahre ins südliche China und erlebte dort mit, was man heute eine Gemeindegründungsbewegung nennt. Der US-Amerikaner war damals strategischer Koordinator der Südlichen Baptisten und fand auf der Halbinsel Hainan in einer bestimmten Volksgruppe drei Gemeinden vor. 85 überwiegend ältere Christen gehörten dazu. Tendenz: abnehmend. Curtis begann, Christen aus anderen asiatischen Ländern zu schulen. Zusammen mit Christen aus Hainan fingen sie an zu evangelisieren und Gemeinden zu gründen. Die Zahlen der Gemeindegründungsbewegung, die Gott anschließend in Gang setzte, sind schier unglaublich: Im ersten Jahr begann das Team sechs Gemeinden, im Jahr darauf schon 17. Im folgenden Jahr 50. Nur fünf Jahre nach Start gab es bereits 550 Gemeinden mit 55.000 Gläubigen. Innerhalb von neun Jahren bekannten sich 360.000 Menschen auf Hainan zu Jesus. Darüber hinaus erlebte Curtis Bewegungen in Indien und den USA und trainierte Menschen in den verschiedensten Ländern, die seither weltweit etwa 30 Bewegungen initiiert haben.
Bewegungen geschehen auf der ganzen Welt. Eine Aussage, die man oft hört, ist: „Ich glaube ja, dass so etwas in China, Indien oder anderen Ländern passiert, aber nicht, dass es in Deutschland möglich ist.” Was antwortest du darauf?
Als ich nach unseren Erfahrungen in China begann, Leute in anderen Ländern zu trainieren, sagten mir Menschen: „Ja, das war China, das kann aber nicht in Indien passieren.” Aber sehr kurz danach entstanden Bewegungen in Indien. Nicht durch Leute, die ich trainiert habe, aber es geschah dennoch. Dann sagten Menschen: „Ja, das ist Asien, aber wir arbeiten unter Muslimen. Da kann das nie passieren.“ Und dann haben wir Bewegungen unter Muslimen gesehen. Dann sagten sie: „Das waren aber eher Animisten, keine echten Muslime.” Aber dann entstanden Bewegungen unter orthodoxen Muslimen. Dann sagten Menschen: „Das kann aber nicht in den USA geschehen.” In den letzten Jahren habe ich in den USA gearbeitet und es geschieht auch dort. Und ich glaube, dasselbe gilt auch für Europa. Gott kann überall wirken. Ich glaube, er bereitet zu bestimmten Zeiten bestimmte Orte vor. Es kann sein, dass ein Ort noch nicht vorbereitet ist, aber ich glaube, bewirken kann Gott so etwas überall. Und wenn ich etwas genervt bin, antworte ich auf einen solchen Einwand manchmal auch: „Das stimmt. Es kann hier nicht durch dich geschehen. Weil du nicht glaubst, dass es möglich ist.” Ich glaube aber, es kann überall geschehen.
Gott kann überall wirken. Ich glaube, er bereitet zu bestimmten Zeiten bestimmte Orte vor. Es kann sein, dass ein Ort noch nicht vorbereitet ist, aber ich glaube, bewirken kann Gott so etwas überall.
Siehst du bestimmte Hürden, die Bewegungen oder den Start einer Bewegung behindern?
Natürlich. Ich nehme an, du sprichst über Deutschland. Ich denke, die USA und Deutschland haben manches gemeinsam. Die religiöse Tradition ist sehr stark. Das halte ich für eine große Hürde, die man nur schwer überwinden kann. Dazu kommt die Unabhängigkeit der Menschen, die ganze postmoderne Betonung von Subjektivität und relativer Wahrheit. All das sind signifikante Hürden. Daher zögere ich nicht zu sagen, dass Europa einer der schwierigsten Orte ist, um eine Bewegung zu initiieren. Aber das ist weit davon entfernt, dass es unmöglich ist.
Du hast viele Menschen trainiert, die Gott benutzt hat, um Bewegungen zu initiieren. Siehst du charakterliche Gemeinsamkeiten bei diesen Menschen?
Das ist eine interessante Frage. Auf der einen Seite nein, da ich Menschen kenne, die stark introvertiert sind, und andere, die sehr extrovertiert sind. Menschen mit eher apostolischen Begabungen und andere mit prophetischen oder evangelistischen. Es gibt ein breites Spektrum, aber ich sehe trotzdem Ähnlichkeiten. Nicht so sehr in Persönlichkeit oder Begabung, sondern in der Art zu denken. Ich habe beobachtet, dass es manche Berufe gibt, in denen es wahrscheinlicher ist, dass Menschen fruchtbar sind: medizinisches Personal, Apotheker, Sporttrainer, Leute vom Militär und Ingenieure. Ich habe darüber nachgedacht, was diese Berufe gemeinsam haben. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das die ganze Antwort ist, aber ich vermute, dass Menschen mit diesen Berufen es gewohnt sind, das große Ganze zu sehen, und mit diesem Blick eine systematische Antwort zu finden. Sie haben keine Probleme mit Plänen, Strategien und taktischem Vorgehen. Ich bin mir nicht sicher, ob das die Schlüsseleigenschaften sind, aber es trifft auf Menschen zu, die eine Bewegung initiieren können.
Du hast zusammen mit einem Kollegen damals auch Ying Kai trainiert, der danach in China eine sehr große Bewegung anstoßen konnte und auch das T4T-Material entwickelt hat. Hättest du das damals von ihm erwartet?
Ying war ein Mensch, bei dem du während des Trainings nie gedacht hättest, dass er viel bewegen würde. Wenn du ihn mal gehört hast, weißt du, dass er kein begnadeter Sprecher ist. Er sieht auch nicht besonders aus. Er beeindruckt menschlich in keiner Hinsicht. Am Ende des vierwöchigen Trainings mussten alle Teilnehmer ihre Pläne einreichen, was sie vorhatten. Mein Kollege und ich schauten sie uns an und sprachen über das Potenzial, das wir in jedem Teilnehmer sahen. Von den 30 Leuten in Yings Trainingsgruppe stuften wir ihn beide irgendwo bei 29 oder 30 ein. Wir glaubten nicht, dass mit ihm viel passieren würde. Im ersten Monat nach dem Training bekamen wir seinen ersten Bericht. Er schrieb: „Ich habe im letzten Monat leider nur 16 Gemeinden gestartet.“ Wir dachten, dass er sich vermutlich vertippt hatte und zufällig auch auf die Sechs getippt hatte, obwohl er nur Eins meinte. Der nächste Monat war Dezember. Ende Dezember schickte er einen weiteren Bericht. Er schrieb: „Es tut mir leid, Dezember ist immer so voll, die Menschen haben so viel zu tun. Daher habe ich in diesem Monat nur 30 Gemeinden gegründet.“ Wir konnten das nicht glauben. Sein Englisch war ziemlich schlecht, deshalb fragten wir uns: „Vielleicht hat er was falsch verstanden?“ Aber in jedem Monat verdoppelten sich die Zahlen. Rückblickend kann man sagen, dass Ying einen unglaublich fruchtbaren Dienst erlebt hat.
Weshalb war er, deiner Ansicht nach, so erfolgreich?
Eine sehr gute Frage. Ich kenne drei Faktoren. Zum einen ist Ying jemand, der hart arbeitet und ein sehr guter Trainer ist. Er hat Leute trainiert, Leute trainiert und Leute trainiert. Viele Menschen. Er hatte eine Trainingsgruppe am Montag, eine am Dienstag, eine am Mittwochmorgen, eine am Nachmittag und so weiter. Er benutzte diese Trainings als eine Art Filter, um treue und effektive Menschen zu finden. Ihnen ist er nachgegangen und hat weiter in sie investiert. Durch das viele Trainieren fand er eine Menge fruchtbarer Personen. Ein zweiter Faktor ist seine Frau Grace. Sie arbeitet ebenso hart und ist sehr effektiv. Sie hat nach den Trainings am Telefon die Nachsorge gemacht, von morgens bis abends. Das war besonders wichtig, als die Bewegung anfing, größer zu werden. Sie hat die ganzen Berichte der einzelnen Arbeiten gesammelt und ausgewertet – eine Menge Arbeit, die sie komplett alleine bewältigt hat. Ying konnte sich so auf andere Dinge konzentrieren. Das dritte Geheimnis waren seine Knie. Wenn du seine Hosenbeine hochziehen würdest, könntest du starke Schwielen an seinen Knien sehen. Damals lebten Ying und Grace in Hong Kong, Ying hatte ein Büro mit einem Holzfußboden und dort konnte man zwei tiefe Furchen im Holzboden sehen, die mit der Zeit durch seine Knie entstanden waren. Ying betete vier Stunden jeden Morgen.
Ying hatte ein Büro mit einem Holzfußboden und dort konnte man zwei tiefe Furchen im Holzboden sehen, die mit der Zeit durch seine Knie entstanden waren. Ying betete vier Stunden jeden Morgen.
Du hast die Halbinsel Hainan ziemlich früh nach Beginn der Bewegung verlassen. Wie ging es dort anschließend weiter?
Etwa zwölf Jahre später war ich in Indien und besuchte dort einen Freund. Während ich bei ihm war, klopfte es an der Tür. Es war eine chinesische Frau vom Festland in China, eine Missionarin, die ich nicht kannte und die meinen Freund besuchen wollte. Sie erzählte ganz aufgeregt: „Ich komme gerade aus der unglaublichsten Gegend! Es gibt dort in jedem Dorf eine Gemeinde, der Lobpreis ist wie im Himmel. Sie sind superevangelistisch und schicken Arbeiter ins ganze Land und in die ganze Welt. Ich habe gefragt, wie es dort mit Verfolgung aussieht und die Leute sagten: ‚Am Anfang haben wir viel und starke Verfolgung erlebt. Aber mit der Zeit stellte die Regierung fest, dass überall, wo wir waren, die Kriminalitätsrate bis auf Null runterging und fast alle sozialen Indikatoren anstiegen. Da sagte die Regierung: ‚Wir glauben nicht, was ihr lehrt, aber eure Resultate sind großartig. Deshalb lassen wir euch in Ruhe. Geht, wohin auch immer ihr wollt.’ Daher erleben wir sehr wenig Verfolgung.’“
Unser gemeinsamer Freund fragte daraufhin: „Von welcher Gegend redest du?“ Und die Frau antwortete: „Es ist die Insel Hainan.“ Mein Freund kannte meine Geschichte und sah mich nur an und grinste. Ich glaube, Gott hatte diese Frau geschickt, um mich zu ermutigen. Denn als ich von Hainan weggegangen war, hatte ich viel Kritik einstecken müssen. Leute sagten: „Es ist total falsch, dass du jetzt gehst. Es ist komplett zu früh, die Arbeit zu verlassen.“ Ich fand damals einfach, dass sie uns nicht mehr brauchten und jetzt war es, als ob Gott mir sagen wollte: „Du lagst richtig. Ich war es, der dir das damals gesagt hat.“
Wow, was für eine Ermutigung. Das heißt, du warst danach nicht noch einmal da?
Nein, 1996 war ich das letzte Mal da. Es wäre nicht problematisch für mich, die Arbeit zu besuchen, aber ich hatte einfach zu viel um die Ohren.
Wenn man sich Bewegungen ansieht, findet man immer einzelne Menschen, die besonders fruchtbar sind. Bei T4T werden sie Trainer von Trainern genannt, Menschen die viele Trainer trainieren. Weißt du, wie hoch der Prozentsatz solcher Leute ist?
Ich weiß es nicht, aber sehr niedrig. Aber der Schlüssel ist nicht die Anzahl dieser extrem fruchtbaren Trainern von Trainern, sondern der Prozentsatz von Leuten, die sich regelmäßig reproduzieren. Sie mögen keine große Zahl von Leuten trainieren, vielleicht sogar immer nur eine Person, vielleicht nur zwei oder drei im Jahr. Aber der Prozentsatz an Leuten, die das tun, verleiht einer Bewegung Momentum.
Aber der Schlüssel ist nicht die Anzahl dieser extrem fruchtbaren Trainern von Trainern, sondern der Prozentsatz von Leuten, die sich regelmäßig reproduzieren.
Wir schauen immer gern zu diesen großen Namen, zu der Person, die alles gestartet hat. Und sie spielen auch eine entscheidende Rolle. Die DNA, die sie weitergeben, ist sehr wichtig. Aber letztlich geht es nicht darum, in einer Bewegung viele von ihnen zu haben. Es geht darum, Muster zu entwickeln, damit der größtmögliche Prozentsatz von Menschen sich regelmäßig und treu reproduziert. Solche Leute fallen nicht groß auf, aber durch sie gehen Bewegungen weiter.
Wie viele sind das in einer Bewegung? Die Hälfte?
Wenn es die Hälfte ist, ist das super. Natürlich möchtest du, dass jeder sich regelmäßig reproduziert, aber auch wenn nur die Hälfte ist, wird eine Bewegung entstehen und erhalten bleiben.
Manche würden sagen, wenn man darauf abzielt, dass sich jeder Jünger reproduzieren soll, dann übersieht man, dass nicht jeder auf dieselbe Art und Weise begabt ist.
Das sehe ich anders. Ich glaube, dass geistliche Gaben mit dem zusammenhängen, was wir eigentlich alle tun sollten. Zum Beispiel habe ich nicht die Gabe der Heilung. Aber ich soll trotzdem für Kranke beten. Und manchmal heilt Gott dadurch. Ich habe auch nicht die Gabe des Gebens, aber ich soll trotzdem großzügig geben. Ich habe auch nicht die Gabe der Zungenrede, aber ich soll trotzdem anbeten, was ja das primäre Ziel dieser Gabe. Es gibt eine Menge Gaben, die ich nicht habe, aber ich habe trotzdem eine Verantwortung in diesen Bereichen. Wenn ich eine Gabe in einem Bereich habe, soll ich meinen Fokus darauf legen und mit dieser Gabe haushalten. Aber das befreit mich nicht aus meiner Verantwortung in den anderen Bereichen. Nur weil ich nicht die Gabe des Gebens habe, kann ich nicht sagen: Oh, ich muss also nicht geben. Natürlich soll ich regelmäßig und großzügig geben. Jeder soll das. Die Aufgabenbeschreibung eines Jüngers ist, andere zu Jüngern zu machen. Darum geht es letztlich. Die Frage ist, was ist dein Stil, wie du Menschen zu Jüngern machst. Das wird von deinen Gaben abhängen. Aber dass es unsere Aufgabe ist, steht fest.
Ich glaube, dass geistliche Gaben mit dem zusammenhängen, was wir eigentlich alle tun sollten. Zum Beispiel habe ich nicht die Gabe der Heilung. Aber ich soll trotzdem für Kranke beten.
Du hast das Thema Geben angesprochen. Wie wird das in den unterschiedlichen Bewegungen gehandhabt?
Ich sollte vorausschicken, dass Geld einer meiner Schwachpunkte ist (lacht). Mag also sein, dass ich da nicht die gesündeste Sicht habe. Ich wünschte, Geld würde gar nicht existieren, dann müsste ich mich auch nicht darum kümmern. Wenn ich mit einem Null-Budget leben könnte, wäre ich sehr glücklich. Ich will damit sagen, dass ich dem Thema sicher nicht die Aufmerksamkeit gebe, die es verdient. Grundsätzlich glaube ich, dass einfache Gemeinden oder Hausgemeinden weitaus großzügiger sein können als alle anderen, weil sie keine Ausgaben für Angestellte oder Gebäude haben. Deshalb können sie all ihr Geld in Training, Mission und wohltätige Zwecke stecken. Ich weiß nicht, wie die Zahlen in Deutschland aussehen, aber in den USA sind in Gemeinden etwa 90 Prozent der Spenden nötig, um die Maschinerie am Laufen zu halten, sodass in der Regel weniger als 10 Prozent übrig sind für Mission, Training, Evangelisation und alles andere. Hausgemeinden können eigentlich 100 Prozent dafür aufwenden. Da entsteht eher die Frage, wie man in einem Netzwerk aus Hausgemeinden größere Probleme anpackt. Das hängt dann stark von ihrer Struktur ab.
Angenommen, ein Pastor einer Gemeinde kommt zu einem Training bei dir und möchte das umsetzen. Aber er merkt schnell, dass das allein schon von der Zeit her nicht innerhalb des bestehenden Systems geht. Was würdest du ihm raten?
Das ist schon mehrfach vorgekommen. Manche haben ihre Position in der Gemeinde behalten, verfolgen das Ziel aber trotzdem weiter. In gewisser Hinsicht sehen sie ihren Pastorenjob dann als Zeltmachertum, als einen Job, mit dem sie Geld verdienen. Und nebenbei in ihrer Freizeit arbeiten sie dann auf die neue Weise. Eine andere Möglichkeit ist, die Gemeinde dahingehend zu verändern. Sehr oft ist das aber weitaus schwieriger als erwartet und die Leute kommen nicht oder nur minimal zum Ziel. Manchmal sind solche Pastoren dann so frustriert, dass sie ihren Pastorenjob an den Nagel hängen und sich einen säkularen Job suchen. Andere sind frustriert, probieren es aber weiterhin so gut es geht. Normalerweise wächst ihre Gemeinde ein bisschen, aber es kommt nicht zu einer Bewegung. Andere sehen sofort, dass es sich in der Gemeinde nicht umsetzen lässt und suchen sich einen anderen Job und setzen es um. Gewissermaßen bin ich dafür selbst ein Beispiel: Ich war hauptamtlich angestellt, bin aber rausgegangen und habe begonnen, als Zeltmacher zu arbeiten. Ich habe versucht, Bewegungen zu starten und habe Leute trainiert. Manche dieser Netzwerke sind erheblich gewachsen und sagten: „Wie wäre es, wenn wir dich unterstützen?“ Deshalb bekomme ich nach dem Zeltmachertum aktuell meine volle finanzielle Unterstützung wieder aus den Netzwerken, die ich begonnen habe. Diese Richtung kann also auch klappen.
Lass uns noch einmal darüber reden, wie man eine bestehende Gemeinde verändert. Wenn ein Einzelner oder ein ganzes Leitungsteam innerhalb einer Gemeinde stärker Menschen zu Jüngern machen will, was würdest du raten?
Zunächst sollte jedem klar sein, dass es schwerer ist, als komplett neu zu starten. Wenn jemand trotzdem davon überzeugt ist, sehe ich mehrere Optionen: Meine erste Wahl wäre, Leute in der bestehenden Gemeinde zu finden, die sich dem anschließen und sie in einer Leiterzelle zu trainieren. Man beginnt mit ihnen eine zeitlich begrenzte Drei-Drittel-Gruppe. Vielleicht trifft sie sich zwei oder drei Monate lang und man bringt Training hinein. Am Ende werden sie ausgesandt, um neue Arbeiten zu starten. Die Gemeinde sagt also letztlich: „Wir segnen diese Sache. Wir geben diese Menschen gewissermaßen ab als eine Art Spende in die Jüngerschaftsarbeit.“ Denn ich glaube, dass nur sehr selten eine ganze Gemeinde für dieses Modell gewonnen werden kann. Dafür sind die Leute nicht angetreten. Sie wollten geistliche Nahrung. Und nur weil ihre Leiter plötzlich so verrückte Ideen haben, werden sie sich nicht verändern. Vielleicht lässt sich eine sehr kleine und sehr junge Gemeinde noch verändern, aber das wäre sehr unüblich. Eine andere Möglichkeit, die manche mit einem gewissem, aber nicht sehr großen Erfolg probiert haben, ist die, bestehende Kleingruppen in dieses Modell zu verwandeln. Ich habe bisher noch keine Bewegung daraus entstehen sehen, aber ein gewisses lokales Wachstum.
Meine letzte Frage: Wie geht ihr mit Kindern, speziell jüngeren Kindern, in Hausgemeinden um?
Ich bevorzuge bei weitem, dass alle zusammen bleiben. Also eine Gemeinde aus verschiedenen Generationen. Wenn Kinder mit 13 oder so zu Jugendlichen werden, habe ich in unterschiedlichen Kontexten auch gut laufende Jugendgemeinden gesehen. Aber Kinder habe ich lieber in der Drei-Drittel-Gruppe dabei. Kinder können auch ihre eigene Rechenschaftsgruppe haben.
Bei euch dauert eine Drei-Drittel-Gruppe mit gemeinsamem Essen typischerweise drei Stunden. Wie funktioniert das mit Kindern im Alter von zwei bis acht? Die Erwachsenen unterhalten sich doch überwiegend.
Wenn du Dreijährige dabei hast, können sie in einem Malbuch malen oder so. Wichtig ist, dass sie dabei sind und mithören. Wenn sie älter werden, sagen wir fünf oder sechs, werden sie anfangen, eigene Dinge beizutragen. Sie kriegen alles mit und werden geprägt. Das ist wie eine erweiterte Familie. Wenn bei Feiertagen die ganze Familie zusammen ist, sind die Kinder ja auch dabei. Und oft ist man da auch sechs bis acht Stunden zusammen. Trifft sich die ganze Familie nicht mehr, nur weil kleine Kinder dabei sind? Nein. Die Kinder spielen und man passt nur auf, dass sie nicht alles dominieren (lacht). Ich glaube, das Problem ist, dass wir ein Bild im Kopf haben, welche Rolle Kinder in der Gemeinde spielen – und das passt hier nicht richtig. In jeder Kultur verbringen verschiedene Generationen zu bestimmten Gelegenheiten viel Zeit miteinander. Eine solche Zeit ist auch die Drei-Drittel-Gruppe.